TRAUERCHAT
Trauerhilfe Live-Chat

Kai Sender
Sozialarbeiter
Bremen
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Wenn Trauer dein Adressbuch neu schreibt und wer dein bester Freund ist

Diese Erfahrung machen leider sehr viele Trauernde: Sie werden alleingelassen. Ich sage ganz gerne: Trauer schreibt das Adressbuch neu. Die Freunde, von denen ich dachte, dass sie wahre Freunde sind, stellen sich vielleicht in ihrer Trauer als Menschen heraus, die sich doch nicht so viel Mühe geben, wie ich es von einem Freund erwarten kann. Andere, mit denen ich gar nicht gerechnet habe, die stehen mir vielleicht bei, die kommen vielleicht einfach vorbei.

 

 

 

Transkript:

Du bist in deiner Trauer und du bist manchmal unsicher. Du weißt manchmal nicht, wie du dich eigentlich verhalten solltest. Ich verrate dir jetzt mal ein Geheimnis. Es gibt jemanden, der kann dir das alles ganz korrekt und ganz akkurat sagen. Es gibt jemanden, der weiß genau, wie du dich in deiner Trauer verhalten solltest. Es gibt jemanden, den du immer fragen kannst, der wirklich klug ist und sich vor allen Dingen in deiner Trauer extrem gut auskennt.

Das bist du selbst, wenn du unsicher bist, ob dein Verhalten in deiner Trauer richtig ist. Wenn du dich fragst, ob deine Gedanken, die du hast, ob deine Gefühle, ob die so in Ordnung sind in deiner Trauer. Dann frage dich doch einfach selbst. Geh einfach nach deinem Gefühl. Und wenn du meinst, es ist in Ordnung, dann bleib dabei. Und wenn du denkst, wenn du das Gefühl hast, es ist nicht in Ordnung, dann mach was anderes und hör auf damit.

Du brauchst auf niemand anderen zu hören, nur auf dich. Und wenn dir jemand sagt, wie du zu trauern hast, hör aufmerksam weg. 

Oft kriegen sie Sätze gesagt, die nicht nur zeigen, dass derjenige, der diese Sätze zu ihnen sagt, eigentlich gar nichts mit dem Thema zu tun haben will, sondern die direkt verletzen. Zum Beispiel Bist du immer noch traurig?

Das wurde einer Trauernden gesagt, die vor sechs Monaten ihren Mann verloren hatte. Und die Menschen um sie herum meinten: Na ja, sechs Monate, das reicht jetzt. Aber auch da könnte man sich langsam mal wieder zusammenreißen, wie sie das betonen, und weitergehen im Leben. Und die Freundin sagte zu der Trauernden: Bist du denn immer noch traurig? Und unsere Trauernde wusste nicht, was sie sagen kann.

Sie war überfordert von der Situation. Sie war zutiefst verletzt und hat dann in unserem Trauerchat nachgefragt, ob es anderen auch so erginge. Und was sie darauf geantwortet hätten. Und sie bekam die Empfehlung, beim nächsten Mal zu sagen auf die Frage: Bist du denn immer noch traurig? Ja, natürlich bin ich noch traurig, denn mein Mann ist immer noch tot.

Ich empfehle immer wieder trauernden Menschen, in den Situationen, in denen sie von angeblich anteilnehmenden Sprüchen verletzt werden, bekümmert sind, knallhart zu reagieren, verbale Ohrfeigen zu verpassen, weil derjenige, der so etwas zu einem trauernden Menschen sagt, begreifen muss, was er da gerade angerichtet hat. Und weil er, wenn er einmal einen Spruch wiedergekriegt hat, der ihn erschreckt hat, der ihn selbst vielleicht verärgert hat, nie wieder diesen Spruch bringen wird.

Und das ist es doch, was die Trauernden sich wünschen, dass sie nicht mehr in solche Situationen kommen, dass sie ganz deutlich klargestellt haben: Sowas kannst du zu anderen sagen, aber nicht zu mir.

Was wir auch immer wieder erfahren, sind Sprüche, die direkt nach einer Trauerfeier gesagt werden oder nach nur wenigen Wochen. Eine Frau, die ihren Mann verloren hat, bekommt tatsächlich von sogenannten guten Freunden gesagt: Warst du eigentlich schon mal auf einer Partnerbörse? Ich glaube, es wird Zeit, dass du dich mal umguckst. Wer so etwas sagt, der sagt das wahrscheinlich nicht nur, weil er nicht weiß, wie er sich am besten einem trauernden Menschen gegenüber verhält. Sondern, und das ist meine persönliche Meinung, er sagt das auch, weil er sich nicht die geringste Mühe gibt. Ich selbst erwarte aber von einem Freund, einer Bekannten, einem Verwandten, einem Nachbarn, einem Arbeitskollegen, egal von wem, der weiß, dass ich in einer Trauer bin, dass er sich schlaumacht. Wie gehe ich mit Kai um? Kai hat einen geliebten Menschen verloren.

Was kann ich ihm sagen? Es gibt genügend Bücher. Es gibt Videos wie dieses zum Beispiel. Es gibt auch andere Videos. Es gibt Trauerchats, in denen man sich schlaumachen kann. Es gibt Gruppen, die man besuchen kann. Es gibt Trauercafés. Überall kann man, wenn man denn will, sich darüber schlaumachen, wie man sich einem trauernden Menschen gegenüber verhält.

Wir alle kennen das, dass man eine beste Freundin hat, einen besten Freund. Dieser Freund kann mitten in der Nacht um 3:00 Uhr morgens klingeln und sagen: Kai, ich habe Mist gebaut. Kannst du mir helfen? Natürlich würde ich ihn hereinlassen. Ich würde sagen: Setz dich erst mal hin, lass uns mal schauen, was passiert ist. Lass uns mal schauen, was wir machen können.

Und ich würde ihn nicht verurteilen. Ich würde ihm meine Hilfe anbieten. Ich würde ihn ausreden lassen und ich würde ihn nicht ausschimpfen oder irgendetwas in der Art, sondern ich würde zu ihm stehen, denn er ist ja mein Freund. Ich empfehle oft in unseren Trauerchats den Trauernden: Sei bitte selbst jetzt deine beste Freundin, sei jetzt selbst dein bester Freund, denn offensichtlich hast du in deiner Trauer keinen anderen zur Verfügung.

Sei mit dir selbst gnädig, verzeihe dir, akzeptiere, wie du fühlst, wie du denkst. Nimm dich so, wie du bist, einfach an und sei großzügig. Sei gnädig mit dir. Verurteile dich nicht. Andere verurteilen dich sowieso, egal, was du machst in deiner Trauer. Du musst dich nicht verurteilen. Du kannst dich so akzeptieren, wie du bist. Und das ist dann die Voraussetzung dafür, dass du in deiner Trauer vielleicht auch neue Maßstäbe setzt.

Ich sage ganz gerne: Trauer schreibt das Adressbuch neu. Die Freunde, von denen ich dachte, dass sie wahre Freunde sind, stellen sich vielleicht in ihrer Trauer als Menschen heraus, die sich doch nicht so viel Mühe geben, wie ich es von einem Freund erwarten kann. Andere, mit denen ich gar nicht gerechnet habe, die stehen mir vielleicht bei, die kommen vielleicht einfach vorbei. Die rufen an, die fragen: Kann ich etwas für dich tun? Kann ich dir behilflich sein im Alltag oder in der Erledigung irgendwelcher organisatorischen Dinge? 

Und dann ordne ich nicht nur meinen Freundeskreis neu, sondern erfahre von Menschen, von denen ich es nicht erwartet habe, etwas sehr Positives, und kann mich dann ja in Zukunft auch umstellen. Wenn ich in einer Trauer bin, habe ich ja nicht nur einen geliebten Menschen verloren.

Mein ganzes Leben hat sich ja geändert. Die Zukunft, die gedacht war, ist ja nicht mehr vorhanden.